Ein spirituelles Märchen mit Übung zur Selbsthilfe

Im folgenden Märchen liest du die Geschichte eines kleinen Mädchens, das – um die Welt zu retten – erst einmal sich selbst retten muss. Es ist eine Geschichte, die dir zeigt, wo auf deinem individuellen Heilungsprozess du gerade stehst. Vielleicht erkennst du dich hier und da wieder. Viel Spaß beim Lesen.

 

Das Mädchen und der Mond

Wie alles begann

Es war einmal ein armes Mädchen. Es lebte hinter den Bergen in einem kleinen Dorf. Die Menschen dort hatten nicht viel, dennoch lebten sie unbekümmert und friedlich miteinander. Das Leben plätscherte seicht daher, als eines Tages ein Schatten über das Dörfchen fiel und die Menschen krank machte. Keiner konnte sich erklären, woher der Schatten kam. Keiner kannte den Weg hinaus aus dem Schattenreich.

Die Krise

Die Menschen weinten. Sie waren hilflos und verzweifelt. Der Schatten aber trieb sein Unwesen und raffte einen Dorfbewohner nach dem anderen hinweg. Er machte auch vor den Eltern des armen Mädchens keinen Halt und verschlang sie mit seinem mörderischen Maul. Schon griff er nach ihren kleinen Brüdern. Das Mädchen schrie in den Schatten: „Nimm mir nicht mein ganzes Leben. Lass mir bitte meine Brüder“. Und der Schatten antwortete lächelnd: „Um welches Leben weinst du, armes Mädchen? Du lebst nicht. Du schläfst genauso wie die anderen Menschen um dich herum. Ich biete euch jedoch die Gelegenheit zu erwachen.“ „Was willst du, dass ich tue?“ fragte das arme Mädchen den Schatten. „Ich will nichts von dir.“ antwortete er. „Ich beschenke dich. Sieh genau hin.“

Ein Helfer

Die Nacht lauschte dem Gespräch der beiden und bekam Mitleid mit dem armen Mädchen. Weil sie die Kraft des Kindes erkannte, sprach sie zu ihm: „Weine nicht um Dinge, die du nicht verstehst. Der Schatten vollendet, was von Beginn an vorher bestimmt war. Doch du hast die Möglichkeit das Ende eures Dorfes aufzuhalten. Dafür musst du es verlassen. Mach dich auf den Weg und finde den Samen, der die Heilung für dein Dorf in sich trägt und pflanze ihn auf eure grüne Wiese! Bevor du den Samen jedoch finden kannst, wirst du dreimal erkennen müssen, was du nicht bist.“

Vertrauen

Das arme Mädchen verstand die Worte der Nacht nicht. Obschon es erkannte, dass es keinen Ausweg gab. Es musste losziehen, wollte es seine Brüder und die Dorfbewohner retten. Es wusste nicht, wie lang der Weg sein würde, ob er steinig wäre oder kalt. All das wusste das Mädchen nicht und dennoch zog es einfach los ohne weitere Vorkehrungen zu treffen. Was war schon zu verlieren? Nichts. Der Schatten hatte das Mädchen schnell gelehrt, dass das Nichts-mehr-verlieren-können auch Freiheit in sich birgt.

Neue Wege gehen – die Komfortzone verlassen

Der Weg war so düster, dass sie kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Ihre Füße tasteten sich vorsichtig voran. Sie hatte Angst, doch sie war mutig und ging ihren Weg. Schritt um Schritt.
Ihr Kopf war voller Gedanken. „Was ist, wenn ich scheitere. Hätte ich mich doch besser auf diese Reise vorbereitet sollen? Was sind das für drei Erkenntnisse, die so wichtig sind?“ Diese und andere Gedanken schwirrten quälend in ihrem Kopf umher und ließen sie ihr Gleichgewicht verlieren. Sie stürzte und hielt inne. Plötzlich verstand sie, dass ihre Gedanken sie nicht beherrschen mussten. Sie plapperten mal dies, mal das, mal laut, mal leise und verstopften ihren Kopf mit nicht enden wollenden Worthülsen.

Also sprach sie zu ihnen: „Liebe Gedanken, ihr seid wunderbare Diener, aber sehr schlechte Könige. Ihr braucht meine Welt nicht mehr zu regieren. Ich danke und entlasse euch aus meinem Kopf, auf dass ihr und auch ich frei werdet.“ Die Gedanken verbeugten sich ehrfürchtig vor dem Mädchen und zogen von dannen.

Klarheit durch Erkenntnis

In diesem Moment schob der Mond sich hinter den dunklen Wolken hervor und lächelte.
Mit einem Nu war der Weg silberhell erleuchtet und setzte sich klar vor dem armen Mädchen ab.
Der Mond sprach zu dem Mädchen: „Ich verneige mich vor deiner Größe und beglückwünsche dich zu deiner ersten Erkenntnis. Nun brauchst du den dunklen Weg nicht mehr. Ich bin bei dir und leuchte für dich.“ Eine Woge puren Glücks durchströmte die Brust des Mädchens. Sie blickte dankbar hinauf zum Mond und fühlte Hoffnung in sich aufkeimen.

Annahme der Leidens

Schon nach kurzer Zeit waren ihre Füße wund, schmerzhaft und kalt gelaufen. Sie hinterließ blutige Fußspuren auf dem mondhellen Weg. Im Blick zurück erschloss sich ihr dennoch die tiefe Schönheit und Wahrheit dieses vergänglichen Anblicks. Rote Fußspuren auf silberigem Untergrund. Wie sonderbar war das. Wie einzigartig anders.

Noch spürte sie die Schmerzen, die mit jedem Schritt verbunden gewesen waren. Und doch hatte jeder dieser schmerzhaften Schritte ein einzigartiges Bild gemalt. Jeder Schritt war ein Ausdruck ihrer selbst. Aber sie war nicht der Schritt, sie war nicht der Fuß, der ihn tat, und sie war auch nicht der Körper zu dem der Fuß gehörte.

Erkenntnis und Ende des Leids

„Ich bin nicht mein Körper.“ sagte sie. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. „Ich bin nicht mein Körper.“ Sie fühle, wie sich ihr Körper aufzulösen begann. Sie wurde innerlich flüssig. Eine neue Ordnung entstand in ihr. Das arme Mädchen wurde leicht wie eine Feder. Sie sah wie ihre Füße weiter liefen. Ganz leicht. Der Schmerz aber war vergangen. Gütig blickte der Mond auf das arme Mädchen. Sein Herz wurde ganz warm vor lauter Liebe zu ihr. „Ich verneige mich vor dem Schmerz, den du erlitten hast um zu erkennen, dass du nicht eins bist mit ihm. Dies ist die zweite Erkenntnis. Nun brauchst du den Schmerz nicht mehr. Er darf gehen.“

Der Mond schickte seine kühlen Strahlen zu ihren blutigen Füßen und die Wunden verschwanden wie von Zauberhand. „Ich bin bei dir. Ich leuchte für dich und helfe dir zu heilen.“ So sprach der Mond zu dem Mädchen.

Zerstreuung oder Sinnlosigkeit

Das arme Mädchen spürte wie die zuvor harten und scharfen Steine einer feinen Sanddecke wichen. Vor ihr lag eine sanfte Wüste aus golden schimmerndem Sand. Jeder Schritt wurde zur Wohltat und machte ihr große Freude. Die Freude machte sie leicht und ließ sie tanzen. Schon ergab sie sich vollends der süßen Freude und verlor ihre Orientierung. Sie vergaß den Grund ihrer Reise und fing an in der goldenen Wüste umherzuirren. Leise regte sich ein sanfter Druck in ihrer Brust und die Trauer um ihre Eltern rief zart in der Tiefe ihres Herzens nach ihr um wuchernd in ihrem Körper zu einer mächtigen Woge heran zu wachsen. Die Welle überfiel sie, um sich dann, leise, leise wieder zu verabschieden und der nahenden Wut Platz zu schaffen.

Emotionen

Die Wut aber erhob sich in ihr und klagte den Schatten an: „Du nimmst mir meine Brüder nicht.“ schrie die Wut im armen Mädchen. „Ich hasse dich für deine Ungerechtigkeit.“ Mit voller Wucht explodierte die Wut im Körper des Mädchens und gierte nach ihrem Verstand. Doch das arme Mädchen trat weise einen Schritt zurück und sah die Wut ins Leere greifen. Noch tobte die Wut eine Weile im Körper des armen Mädchens, löste sich dann auf, um im Nirgendwo für immer zu verschwinden.

Erkenntnis, die zur inneren Ruhe führt

„Ich bin nicht meine Gefühle.“ erkannte das Mädchen. „Meine Gefühle sind wie eigenständige, Wesenheiten über die ich mich erfahre, aber ich BIN nicht meine Gefühle.“

Sie erkannte: sie war das, was hinter allem war. Hinter den Gedanken, hinter dem Körper und hinter den Gefühlen. Sie war reines Bewusstsein. Formlos und klar. Dem Mond stockte der Atem. Er hatte nicht damit gerechnet, dass das Mädchen in so kurzer Zeit alle drei Geheimnisse des Lebens erfahren würde, die ihr die Nacht zum Rätsel aufgegeben hatte, denn seit dem Beginn ihrer Reise waren erst drei Tage vergangen.

Der Sinn deiner Reise offenbart sich

„Du bist am Ziel deiner Reise angelangt“ sagte der Mond. „Du darfst stehen bleiben.“
Das Mädchen blickte sich um. Es stand an einem weißen Sandstrand. Vor ihm lag das weite Meer. Der Mond stieg vom Himmel und stellte sich neben das Mädchen. „Unter deinen Füßen findest du, was du suchst.“ sagte er. Das Mädchen bückte sich und fing an im Sand zu suchen bis es eine kleine Holzkiste fand.

Sie öffnete das Kästchen und fand darin verborgen ein schimmernd pulsierendes Samenkorn.
Der Mond blickte sie weise an. „Dies ist ein Samen des Baumes Yggdrasil.“ so sprach er.
„Einst verband er den Himmel und die Erde miteinander. Nur wenige Samen sind von ihm geblieben. Sie sind nicht leicht zu finden, wie du erfahren durftest. Aber je mehr Menschen einen dieser Samen finden und ihn erneut der Erde übergeben, desto näher rückt uns das Himmelreich.

(Netzfund)

 

Hilfe zur Selbsthilfe

Wir alle waren schon einmal in der Situation des kleinen Mädchens. Mit den Teilüberschriften habe ich versucht dir hier eine Orientierung zu schaffen, damit du einschätzen kannst, wo du dich gerade befindest. Selten läuft der Weg so geradlinig. Oft drehen wir ein paar Extrarunden. Wir erinnern und an eine sorgenfreie Zeit, in der wir uns geliebt und sicher fühlten. Dann ziehen Schatten über unser Leben hinweg. Wir glauben, die Schatten seien im Äußeren. Wir suchen nach Schuldigen und nach dem Grund in irgendeiner undefinierbaren Bösen Macht im Außen. Klassische Märchen haben hier wundervolle Stereotypen wie Hexen, Dämonen und Stiefmütter parat. So sind wir von klein auf darauf getrimmt die Ursache unseres Leidens im Außen zu suchen.

Erst wenn wir beginnen in uns nach der Ursache zu suchen, finden wir zu den Erkenntnissen, die die Lösung aller Übel bereit hält. Nur mit diesen Erkenntnissen können wir uns aus unserer passiven Opferrolle befreien und in eine aktive Heldenrolle schlüpfen. Da beginnt der Prozess der Heilung. Yoga und Meditation bieten hier einen wertvollen Werkzeugkoffer mit Übungen bereit, um dich zu unterstützen. Solange wir leben, wiederholt sich dieser Prozess der Selbstheilung und unsere Schatten zeigen sich immer wieder in neuem Gewand, sodass wir uns in einem ewigen Kreislauf des Erkennens und Wachsens befinden.

Eine Übung für dich

Mach dir einmal bewusst, wie oft du schon Krisen in deinem Leben überwunden hast! Und dass sich auch jede Krise immer wieder wie in Luft aufgelöst hat, sobald du die Lektion, die dahinter gesteckt hat in dein Leben integriert hast. Als Übung kannst du gerne die Teilüberschriften herausschreiben und dein eigenes Märchen schreiben. Mit dir als Held oder Heldin. So wirst du dir deiner eigenen Stärke bewusst.

Ich hoffe das Lesen der Geschichte hat dir Freude bereitet und Hoffnung geschenkt. Leider kenne ich den Autor nicht. Doch Geschichten werden geschrieben, um erzählt zu werden. Daher habe ich mich entschieden dieses Märchen über meinen Blog mit dir zu teilen. Sollte irgendeine Form der Urheberrechtsverletzung hier vorliegen bitte ich um einen Hinweis. Der Artikel wird dann sofort entfernt.